Der Camino beginnt

Der 31.03.2017 war mein Starttag.

Um 06:00 Uhr wecken, 08:00 Uhr Abgang mit den lieben Worten von Gerda – wir sehen uns in Santiago!

Ich war mit guter Laune unterwegs, die Sonne strahlte schon, es sollte ein schöner Tag werden. Meine Vorstellung waren ca. 24 km, das kann ich bis kurz nach Mittag schaffen. Aber es sollte anders kommen. Hinter Pamplona begannen steile Aufstiege auf schmalem Trampelpfad. Gleichzeitig wurde es plötzlich schwarz über mir und es begann zu regnen. O.K., dachte ich, Poncho an und weiter. Aus dem Regenschauer wurde ein Unwetter mit Sturm und Gewitter. Es gab keine Unterstellmöglichkeit. Das Wasser kam mir auf dem Weg entgegen und es wurde glatt. Es sind noch 6 km bis in den nächsten Ort. Ich benötigte fast drei Stunden für diesen Abschnitt. Ich fand eine Herberge in Zariquiegui die geöffnet hatte, die Herberge Albergue San Andrés. Es war mein Glück, da diese Herberge nicht in meinem Führer stand. Ich war komplett durchnässt und rattenfertig. Da es den anderen Pilgern, die schon angekommen waren und denen, die nach mir kamen, genauso erging, war ich in guter Gesellschaft. Nach einem gemeinsamen Abendessen wollten alle nur noch schnell ins Bett.

Auf einen Tag ohne Regen hoffte die ganze Belegschaft der Herberge.

 Am nächsten Morgen war es trocken und die Sonne kündigte sich an, schaffte es aber nur bedingt. Es ging mal wieder steil aufwärts zur Höhe „Alto del Perdón“ auf 770 m, wo ein Pilgerdenkmal den Gipfel krönt. Der Weg hinunter war nicht nur gefährlich sondern halsbrecherisch, nur über Geröll.

Hinter „Obanos“ kam dann wieder Regen auf, also Poncho überziehen und weiter. Ein an der Straße liegendes Restaurant bot erstmal einen heißen Kaffee und die Möglichkeit, die nasse  gegen trockene Kleidung zu tauschen. Danach freute ich mich über die aufgegangene Sonne. Es war nur eine kurze Freude, denn erst kam nun ein kurzer aber sehr steiler Aufstieg und auf der anderen Seite des Berges wurde es wieder schwarz und auch der Sturm und Regen ließen nicht lange auf sich warten.

Der Weg ging weiter über „Puenta la Reina“ nach „Maneru“. Hier suche ich mir eine Unterkunft, das war mein fester Vorsatz. In „Maneru“ lachte mich die Sonne wieder an und ich ging weiter. Kurz hinter dem Ort das gleiche Spiel, Sonne geht unter, Regen und Sturm kommen zurück. Sollte ich zurückgehen, nein, ich gehe weiter. Es sind nur 2,8 km bis nach „Cirauqui“, das schaffst du noch.

Es kamen nun das erste Mal Zweifel in mir auf. Komme ich auf einen Ort, dann scheint die Sonne, gehe ich weiter, kommt wieder Unwetter. Ist es schon „Mein innerer Weg“ der mit mir spricht?? Was will er mir sagen? Soll ich nicht so lange Wege gehen? Soll ich früher Pause machen?

 In „Cirauqui“ war nun wirklich das heutige Ende. Der ganze Ort liegt am Hang und die letzten 1000 Meter gingen wieder steil aufwärts, bis zur Ortsmitte.  Die Herberge „Albergue Maralotx Cirauqui“ war eine sehr gute und große Herberge. Gäste aus Kolumbien, Italien, England, Spanien und aus Deutschland. Bei einem spitzenmäßigen Pilgermenü und einem guten Glas Wein wurde im urigen Kellerrestaurant der Abend mit guten Gesprächen abgerundet. Danach fiel ich, nach über 26 km, wie tot ins Bett.

Wir schreiben den 02.04.2017, es ist 08:00 Uhr und ich bin nach einem guten Frühstück mit einer Truppe Pilgern wieder auf dem Weg. Die Wetterlage: wie gewohnt, es regnet. Ohne Poncho geht gar nichts. Noch im Ort haben wir einen falschen Weg eingeschlagen und mußten zurück. Auf nassem, moosbewachsenem Untergrund rutschte ich aus und schlug mir das Knie auf.

Die weiteren 6 km bis „Lorca“ waren sehr anstrengend und schmerzhaft. In „Lorca“ gab es ein kleines, gemütliches Cafe. Bei einem guten Cafe con Leche wurden wieder die Lebensgeister geweckt. Da das Knie schmerzte, das Blut schon durch die Hose sickerte, rief ich mir für letzte 9 km des Tages ein Taxi. Drei weitere Pilger freuten sich über meinen Entschluß für das Taxi. Nach einem kurzen Gespräch war es klar, sie fuhren mit und freuten sich, auch der ungemütlichen Wetterfront zu entkommen. In „Estrell“ nahm ich mir ein Hotelzimmer, versorgte mein Knie und reinigte die Hose vom Blut. Für die nächsten Tage trug ich nun auch  meine Kniestütze.

Die nächsten zwei Berge wollte ich meinem Knie noch nicht zumuten, also fuhr ich am nächsten Morgen mit dem Bus nach „Viana“. Nun hatte die Sonne wieder volle Kraft entwickelt und ich lief noch 10 km bis nach „Logrono“.
In der Altstadt von „Logrono“ mußte ich meine Einstellung etwas ändern. Ich trage selten bis gar nicht eine Mütze oder einen Hut. Auf den letzten Kilometern hat die Sonne meinen Kopf  rot werden lassen, also kaufte ich mir eine Mütze.

Der nächste Abschnitt bis nach „Navarrete“ ist nicht sehr anspruchsvoll aber der Aufstieg nach „Alto de San Anton“ hat es in sich und der folgende Abstieg bis „Najera“ ist auch nicht einfach. Hier kam der Entschluß, bei der nächsten Wanderung nehme ich Stöcker mit (liegen schon im Schrank).

Die nächsten Etappen waren sehr entspannt. Es gab einen blauen Himmel, strahlende Sonne aber leider auch keinen Schatten. Die Strapazen mit Sturm und Regen der letzten Tage waren vergessen. Vor „Santo Domingo de la Calzada“ gab es eine leichte Anhöhe aber auch einen sehr langen Abstieg. Santo Domingo war ein Ort in dem ich nicht bleiben wollte. Warum nicht?? Ich weiß es nicht, aber mein Gefühl sprach dagegen. Also ging ich weiter.

Nach einer Pause am Fluß „Rio Oja O Gleera“ setzte ich meinen Weg fort in Richtung „Granon“. Ein kleines, gemütliches Örtchen, nur wenige Kilometer von Santo Domingo emtfernt.

Die Auswahl an Herbergen ist gering. Laut Reiseführer gibt es nur eine originelle, rustikale Herberge in dem Kirchengebäude. Man schläft auf einfachen Sportmatratzen die am Boden liegen. Der Vorteil, hier dürfen auch Hunde mit übernachten.

Ich habe eine zweite Herberge im Ort gefunden, nur auf Spendenbasis. Ein altes Haus zur Herberge umgerüstet, keine Zimmertüren, kleine Räume mit zwei bis sechs Betten.

Auch der weitere Weg über „Belorado“, „San Juan de Ortega“ bis nach „Burgos“ war mit nur zwei leichten Anhöhen gut zu bewältigen.

„Burgos“ ist eine wunderschöne Stadt, allein die Altstadt zählt mit der großen gotischen Kathedrale zu den Attraktionen der Stadt.
Das alte Stadttor von Burgos, der Arco de Santa Maria, markiert den Eingang in die Altsstadt mit Blick auf die Kathedrale. Die Catedral de Santa María zählt zu den schönsten und größten gotischen Kirchen in Spanien und ist UNESCO-Welterbe.
Auch der Marktplatz, die Plaza Mayor im historischen Zentrum oder der Blick auf die Altstadt vom Burgberg aus, sind ein Erlebnis.

09.04.2017

Weiter geht es um 6:00 Uhr in das 22 km entfernte „Hornillos“. Der Weg führt durch die grüne Meseta und war überwiegend flach, einfach und das Wetter mit seinen 30 Grad erträglich. Ich fand unterwegs, etwas abseits vom Weg, ein öffentliches Grillgelände. Hier konnte ich meine durchgeschwitzten T-Shits in der Sonne trocknen. Die letzten drei Kilometer waren sehr anstrengend, da sehr steil abwärts und wieder nur Schotter. Im Tal konnte man schon den Ort „Hornillos“ erkennen.

In „Hornillos“ traf ich beim Abendessen mit einem Pilger aus Saudi Arabien zusammen. Er kam vor 7 Jahren aus Saudi Arabien nach Spanien, von Beruf Musiker und ständig auf Tournee. Die freie Zeit nutzt er zum Pilgern, diesmal reicht die Zeit von Burgos bis nach Leon.
Die Unterhaltung war spannend, mit wenig Englisch aber mit Händen und Füssen.
Ich blieb danach noch einige Zeit auf der Terrasse und genoß den Blick in die Meseta. Einfach traumhaft!

Die nächste Etappe sollte etwas kürzer werden,  nur 12 km bis nach „Hontanas“. Der Weg von „Hornillos“ führt über Felder und dann bergan bis zur Meseta Plateau. Danach geht es hinab in ein Tal zur Herberge von San Bol, die man nach etwas über einer Stunde Gehzeit erreicht. Hier kann man rasten und sich an einem Brunnen laben. Dann geht der Pilgerweg weiter bergab. Unten erblickt man bereits auf das Dorf „Hontanas“, das man nach insgesamt  3,5 Gehstunden erreicht. Auf diesem Weg habe ich mir eine Blase am rechten Außenfuß gelaufen. Pflaster drauf und fertig. 

Die Herberge „El Puntido“ ist eine Unterkunft mit sehr schönen Zimmern.

Von „Hontanas“ sollte der Weg heute über ca. 30 km bis nach Boadilla führen. Nach dem Ort geht es bald zum Tal hinaus und man erreicht nach etwa 1,5 weiteren Stunden die Klosterruine San Anton. Die Ruinen sollte man sich jedenfalls genau ansehen. In den Nischen auf der rechten Seite stellten die Mönche in der früheren Zeit Brot und Wein für die Pilger als Wegzehrung hin.

In „Castrojeriz“ hatte ich meine erste Pause eingeplant und wollte eine Apotheke aufsuchen, um mir ein paar Blasenpflaster zu kaufen. Es war noch sehr früh, keine Geschäfte waren geöffnet. Da ich mich noch sehr wohl fühlte ging ich weiter. Nach ca. 3 Stunden ging es über den „Alto de Mostelare“ auf 910 m Höhe. Der Weg hatte eine Steigung von 12% und ein Gefälle von 18% auf Schotterwegen. Über „Itero de la Vega“ ging es weiter bis nach „Boadilla“. Die Herberge „Titas“ war meine Unterkunft für die nächste Nacht. Sie hat einen Schlafsaal mit 12 Betten, sehr freundliche Herbergseltern und ein tolles Frühstück.

Am 12.04.2017

Abgang 7:15 Uhr in Richtung „Formista“. Ein ruhiger Weg durch grüne Landschaft und immer am Kanal entlang. Hier sollte es laut Herbergseltern eine Apotheke mit Fußpflege geben. Leider Fehlanzeige, aber eine neue Auskunft, eine Podologie in „Los Condes“. Noch 20 km, wie soll das gehen. Da es keinen Bus gibt, rufe ich mir eine Taxe nach „Los Condes“. Die 30 km am Vortag haben ihre Spuren hinterlassen, mein Fuß passt in keinen Schuh, so daß  ich mit einer Sandale laufe.
Es ist ein schöner Weg nach „Los Condes“ und das Wetter passt wunderbar. Der Anblick der Pilger, an denen wir vorbei fahren, macht mich traurig, da ich zum Laufen hier bin und nicht zum Fahren. In „Los Condes“ gibt es wirklich einen Podologen. Ich habe Glück und bekomme noch eine Behandlung, da die Praxis ziemlich ausgebucht ist. Die Blase wird aufgeschnitten, gereinigt, desinfiziert, zugeklebt und verbunden.
Bei einem Gang durch den Ort wird man mehrfach angesprochen, Erkennungszeichen Rucksack, ob man eine Unterkunft sucht. Ich finde hier eine wundervolle Unterkunft in dem im 13. Jahrhundert gegründeten Kloster Santa Clara mit Kirche und angeschlossenem Museum.

Da es im Kloster kein Frühstück gibt, sitze ich am nächsten Morgen schon um 6:00 Uhr in einem Restaurant zum Frühstück. Hier treffe ich schon einen deutschen Pilger, auch Frühaufsteher, und wir plaudern und planen unsere weiteren Pläne. Später stelle ich fest, daß ich hier meine Höhenkarte vergessen habe. Was hat es zu bedeuten, soll ich etwas hinter mir lassen? Der Weg ist eben, keine Besonderheiten und so bin ich frühzeitig in „Calzadilla“. In einer privaten Herberge habe ich das Glück auf ein Einzelzimmer. Ist zur Abwechslung auch mal schön.

Heute, am 14.04.2017, ist Karfreitag.

Mein Weg begann um 7:15 Uhr in Richtung „Sahagun“. Der Tag begann sehr gut und es war ein guter Weg. Für mich erstmal nur bis „Ledigos“. Hinter „Ledigos“ habe ich einen Abzweig übersehen und bin in die falsche Richtung gelaufen. Nach drei Kilometern im nächsten Ort wurde mir bewußt, daß der Weg zurückgeht = 6 km. Die Abzweigung war nur durch einen gelben Pfeil auf der Straßenmitte gekennzeichnet. Der weitere Weg bis nach „Sahagun“ verlief, einen Fuß vor den anderen, ohne Vorkommnisse. Die Herberge war etwas ausgefallen. Eine Kombination von Herberge und Hotel. Der Herbergsbereich war sehr privat eingeteilt. In einem großen Raum standen 20 Betten in Abteilen mit max. 4 Betten.

Der Weg von „Sahagun“ nach „El Burgo Ranero“ war ca. 20 km und ich hatte das Gefühl allein zu sein. Fast keine Pilger unterwegs. Es gab hier ein Hotel, ein preiswertes Hostel und eine Herberge. Die Herberge hatte noch nicht geöffnet, also entschied ich mich für ein Einzelzimmer im Hostel.
Ich war am Ende meiner Kraft und brauchte meine Ruhe. Hab ich mich überschätzt? Waren meine Etappen zu lang? Es kam mir der Gedanke den Weg hier zu beenden. Aber ist das eine Lösung? Mit diesen Gedanken schlief ich ein.

Laut Reiseführer gibt es eine Buslinie von hier nach Leon. Leider nur im Reiseführer. Was nun?

Die Buchung in diesem Hostel war ein Glücksfall für mich. Im Gespräch mit der Wirtsfrau erfuhr ich von einem Zug, der um 17:30 Uhr nach „Leon“ fährt. Das war die Lösung. Die Wirtsfrau arbeitete auch noch in Leon und fuhr mit mir gemeinsam. Durch ihre Beziehungen besorgte sie mir ein günstiges Zimmer in einem Hostel. Ich fand die Unterstützung einfach lieb von ihr.

In „Leon“ blieb ich drei Tage, ich wollte weiterlaufen, mußte aber erst wieder Kraft sammeln. Wo war diese geblieben?
In den nächsten Tagen war nur Ruhe angesagt. Spaziergänge durch „Leon“.  Die Karte die ich in „Los Condes“ vergessen hatte, konnte ich hier neu kaufen.
Auch die Kathedrale „Santa Maria“ muß man einfach begehen. Wer sich hier keine Zeit läßt, hat einfach etwas versäumt.

Der weitere Weg nach „Villadangos del Páramo“ ging nur an der Bundesstraße lang. Ein Weg zum Denken. Die Gemeindeherberge in „Villadangos“ ist nicht sehr einladend. Durchgelegene Matratzen. Es gab vier Waschbecken, zwei Toiletten und zwei Duschen und alles in einem Raum.
Hier habe ich Andreas & Andreas kennengelernt. Die zwei gingen den Jakobsweg rückwärts, befragten unterwegs andere Pilger nach dem Grund ihres Pilgerns und schrieben abends alles in ihren Blog. Der eine Andreas hatte eine besondere Eigenschaft, er läuft immer nur barfuß.

Der weitere Wegverlauf bis „Astorga“ war auch sehr eintönig. Hinter „Astorga“ ging der Weg wieder etwas bergan in Richtung „Rabanal“. Danach stieg es richtig an – auf 1504 Meter Höhe – zum Steinkreuz „Cruz de Ferro“. Nach einem weiteren kurzen Anstieg auf  1515 Meter ging es steil hinunter nach „Molinaseta“ und weiter bis nach „Ponferrada“.

In „Ponferrada“ sollte man unbedingt die Tempelritterburg besichtigen. Diese wurde von den Tempelrittern gegründet und diente unter anderem dem Schutz der Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela.
Der Blick über die Stadt und das Umland ist umwerfend. Zu der Zeit gab es viele Waldbrände in dieser Gegend, die von hier oben gut gesehen werden konnten. Den ganzen Tag flogen Hubschrauber mit Wassersäcken, um diese zu löschen.

Die nächste Etappe ist eine Schonung für die vorher strapazierten Knie. Aber auch diese  sollte man nicht leichtfertig laufen, so wie ich. Auf einem sehr leichten Abstieg kam ich durch Unaufmerksamkeit auf Schotter ins Rutschen. Ich schlug lang hin, verletzte mir Hände und Füße und riß mir ein Loch in meine Hose. Meine Etappe endete danach in „Cacabelos“ im Hotel Villa de Cacabelos . Der Empfang war sehr herzlich. Als die Empfangsdame meine Verletzungen sah, war eine Registrierung Nebensache. Sie holte sofort Desinfektionsmittel und Verbandszeug. Die Anmeldung wurde auf später verschoben. Die nächsten Stunden war ich im Hotel gefesselt, da meine Hose und Jacke gewaschen wurden und ich nur eine Hose hatte.

Auf der weitern Etappe nach „Trabadelo“ gab es nichts Besonderes. Die Herberge „Crispeta“ ist sehr zu empfehlen. Ich habe besonders die Badewanne im Zimmer genossen, es war einfach klasse. Die Herbergsleute boten sogar ein Bad in ihrem  privaten Pool im Garten an.

Und weiter ging es nach „La Faba“. Auf der zweiten Hälfte wurde der Weg sehr anstrengend, da er  steil hinauf ging und von Felsbrocken, Wurzelwerk und Schotter gesäumt war.

Alle Pilger machten in kurzen Abständen Pause, da es wohl mit das Anstrengendste auf dem ganzen Weg war. Am Ende steht die Herberge „Alberque La Faba“ die vom  Stuttgarter Verein „VLTREIA e.V. gemeinnütziger Verein zur Förderung der mittelalterlichen Jakobswege“ betrieben wird.

Am Abend kamen mir wieder Gedanken warum diese Wegstrapazen. Ich habe im ganzen Leben für meine Familie gelebt. Wenn Vater, Mutter oder Schwester rief, Helmut war da. Plötzlich Stress mit Vater und Schwester. Was war geschehen? Habe ich doch etwas falsch gemacht? Ich habe keine Antwort – nur Tränen. Ich hoffe auf die Zukunft. Mit diesen Gedanken schlafe ich ein.

Am nächsten Tag hatten wir alle etwas Pech. Es gab bei schönem Wetter einen steilen Anstieg nach „ O Cebreio“. Nun das Pech: oben angekommen, nur Nebel! Keine Möglichkeit für schöne Fotos, keine Aussicht auf das Umland.
Nach einem kurzen weiteren Anstieg kam wirklich der Abstieg nach „Triacastela“.

Von „Triacastela“ bis nach „Sarrie“ hatte ich ein besonderes Erlebnis. Den ganzen Tag lief ein Hund mit mir. Er achtete selbst auf den Verkehr. Kam ein Auto, verschwand er hinter der Leitplanke bis die Straße wieder frei war. Setzte ich mich für eine Pause hin, kam er zurück und setzte sich dazu bis ich weiter ging. So gingen wir gemeinsam bis nach „Sarria“.

Ich fand eine kleine Herberge mit nur 15 Betten in vier Zimmern, Herberge „A Pedra“.

Hier gönnte ich mir etwas Besonderes, eine Massage, die mir der Herbergsvater empfohlen hatte.

Meine Gedanken am Abend: Warum lief der Hund den ganzen Tag mit mir? Steht er morgen wieder vor der Tür? Was wird aus so einem Hund?

Nein, der Hund stand am nächsten Morgen nicht mehr vor der Tür.

Nun setzte ich meinen Weg bergauf über „Babadelo“ und  „A Brea“ fort bis nach „Ferreiros“. Heute ist der 28.04.2017 – Es sind noch .100. km bis zum Ziel!

Am nächsten Tag traf ich während einer Pause einen Pilger, der schon aus der Schweiz gepilgert kam. Bei einer weiteren Pause in „Portomarin“ saß ich mit einem Holländer zusammen, der sich bereits auf dem Heimweg von Santiago befand.
„Portomarien“ ist eine Stadt, die in einem Tal abgerissen und auf dem Berg wieder aufgebaut wurde. An den Kirchmauern kann man noch die Nummern der Kennzeichnungen  auf jedem Stein lesen. Das Tal ist heute ein großer Stausee.

Mein nächstes Tagesziel war nun “Castromaior“. Hier blieb ich in einer unbekannten Herberge und traf auf finnische Pilgerinnen. Eine sprach sehr gutes Deutsch, da sie in Lappland ein Feriendorf betreibt und viele deutsche Gäste hat.

Heute geht mein Weg nach „San Xulián“ in eine kleine private Herberge, 20 Betten in 4 Zimmern, „O Abrigadoiro“. Die Herbergseltern sind ein Pilgerveteranenpaar. Sehr freundlich und familiär in einem galicischen Bauernhaus. Hier ist einfach alles anders. Es gab ein sehr umfangreiches Abendmenü: Gemüsebrühe, Salat, Tortilla, Käse, Joghurt und Kuchen. Wasser, Weiß- oder Rotwein unbegrenzt. Auch das Frühstück war mit O-Saft, Kaffee, Tee oder Milch, mit Toastbrot, Butter, Marmeladen und Kuchen in unbegrenzter Menge schon sehr ungewöhnlich. Der Ort war klein und ich hatte viel Zeit.

Langsam mußte ich auch mal an den Rückflug denken!. Habe per Handy nach Möglichkeiten gesucht und dann für den 06.05.2017 gebucht.

Sonntag bin ich wieder zu Hause. Auch das ist ein schönes Gefühl.

Die Nacht und der nächste Morgen bestanden aus Regen, Sturm und Gewitter. Ich zog sofort meinen Poncho über und ging los. Zehn Minuten später kam die Sonne und alle zogen die Regenjacken aus. Ich schlug meinen Poncho nur etwas nach hinten über den Rucksack und ging weiter. Die Entscheidung war richtig, nach nur zwei Kilometern kamen die schwarzen Wolken und die Regenschauer zurück. So ging es die nächsten zehn Kilometer weiter, Regen, Sonne, Regen, Sonne, Regen, Sonne. Als dann nur noch Sonne pur vom Himmel schien, zog auch ich meinen Poncho aus. Kurz vor „Melide“ legte ich in einer Kneipe eine kurze Kaffeepause ein. Der Weg ging weiter nach „Melide“. Wie aus heiterem Himmel kam Sturm und Regen auf. Den Poncho schaffte ich bei dem Sturm nicht allein, ein anderer Pilger kam mir zur Hilfe, es war keine Minute zu früh. Aus dem Regen wurde dicker Hagel und wir suchten den nächsten Hauseingang als Schutz. Nach 15 Minuten war der Spuck vorbei, aber drei Zentimeter Hagel auf den Straßen brachten den Verkehr zum Erliegen. Am Ortseingang von „Arzuá“ lag eine kleine Pension, hier war meine heutige Tour zu Ende. Heute waren es über 15 Kilometer unter dem Poncho.

01.05.2017 auf nach „Brea“.

Der Weg ist nicht mehr schön. Man kann nicht mehr pilgern. Es gibt massenhaft Menschen auf den Wegen, die nur 100 km laufen, um die Compostela zu bekommen, reine „Stempelsammler“. Keinen Rucksack und nur ein Ziel, das nächste vorgeplante Hotel. Wenn diese Menschen um 10:00 Uhr losgehen, habe ich zum Glück den halben Weg schon hinter mir.

Mein vorletztes Ziel „Labacolla“. Unterwegs traf ich einen Pilger, der seinen Kaffee auf einem Grill kochte. Ich sprach ihn an und er wurde redselig. Die Nacht habe er in der Holzhütte am Straßenrand verbracht. Solche Unterkünfte gefallen ihm besser als Massenunterkünfte. Er sei Deutscher, lebe auf dem Camino und bereite sich gerade sein Frühstück.
Mittags war ich in „Labacolla“ und suchte eine Herberge. Keine Möglichkeit ! Hotels ab fünfzig Euro waren mir zu teuer. Also weiter.

Zwei Kilometer weiter fand ich die Pension „Casa de Amancio“. Als Alternative gab es nur „Monte do Gozo“ oder „Santiago“. Nach „Santiago“ wollte ich heute noch nicht und nach „Monto do Gozo“ gingen alle anderen. Also blieb ich hier. Ich bekam ein schönes Apartment mit eigener Terrasse. Das abendliche Menü war nicht nach meiner Vorstellung. Ich bezog es aber nicht auf den Koch, sondern auf meine Sprachkenntnisse. Geschmacklich war es gut.

Am nächsten Morgen wollte ich um 07:30 Uhr los nach „Santiago“. Um 07:00 Uhr sollte Frühstück sein. Es war alles noch verschlossen. Bis 07:30 Uhr habe ich gewartet. Da niemand kam, habe ich den Schlüssel und meine Adresse hinterlegt mit der Bitte, man möge mir die Rechnung senden. Bis heute ist noch keine Rechnung gekommen und macht mir ein schlechtes Gewissen. Das ist neben anderen, auch ein Grund um den Weg noch einmal zu laufen.

Das letzte Stück Weg war nicht anspruchsvoll und so ging es auch zügig ins Ziel. Um 09:00 Uhr stand ich vor dem ersten Schild „Santiago de Compostela“  Es ging noch ein gutes Stück Weg durch den Ort, so dass ich um 09:30 Uhr an der Kathedrale ankam. Auf dem Vorplatz traf ich sofort einige Mitpilger wieder.

Auf Grund der Wetterlage hatte ich den Weg nach „Fisterra“ gestrichen. Also verbrachte ich die nächsten Tage in „Santiago“.

Ein preiswertes Hostel gab mir für die nächsten Tage Unterkunft. Das frühe Aufstehen hatte ein Ende. Um 08:00 Uhr ging ich in den Ort zum Frühstücken.

Im Pilgerbüro konnte ich meine Compostella abholen, bevor ich an der Pilgermesse teilnahm. Deutsche Pilger trafen sich anschließend vor der Kathedrale zum gemeinsamen Gedankenaustausch mit Gerda und Herbert. Gerda kannte ich aus Pamplona, Sie war die Hospitalero in der Paderborner Herberge.
Für mich war es sehr schwer. Als ich an der Reihe war, meine Gefühle zu sagen, kamen nur noch Tränen und die Sprache war weg.

Um 18:00 Uhr haben wir uns mit Gerda und Herbert zum geistlichen Rundgang und Erklärungen zur Kathedrale getroffen.
Um 18:30 Uhr gab es eine Pilgerandacht in Deutsch mit persönlichem Pilgersegen.

Das Warten auf den Abflug ist sehr schwer. Die Besichtigungen der Stadt oder auch das Museum der Kathedrale sind sehr schön, aber kein Ersatz.
Durch die viele Zeit kommen Gedanken und die Verarbeitung des Weges. Ich glaube, daß ich den letzten dreißig Jahren weniger Tränen vergossen habe, als in letzten zwei Tagen.

Am nächsten Morgen Verabredung zur Deutschen Pilgermesse. Auf dem Weg treffe ich einen Pilger mit den Worten: Guten Morgen, ich bin Helmut. Guten Morgen, ich bin Reinhard. Später stellte sich heraus, Reinhard war der Priester, der die deutsche Messe hält. Nach der Messe gingen wir in der Gruppe zum Frühstück.

Um 19:30 Uhr war von der örtlichen Gastronomie noch eine Pilgermesse gesponsert, in der die große Weihrauchschaukel geschleudert wird. Diese Pilgermesse habe ich noch besucht.

Danach habe ich mich noch einmal von Gerda verabschiedet und dann meine Abreise am nächsten Tag vorbereitet.

Ich freute mich schon sehr auf zu Hause !!